Ist ein 60-/40-Portfolio noch sinnvoll?

Hat sich das 60-/40-Portfolio über die Zeit bewährt? Wir glauben ja. 

Jocelyn Jovène 07.07.2021
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Wenn die Zukunft ungewiss ist, ist Diversifikation der Schlüssel. Dies ist das Mantra vieler Anleger, insbesondere derjenigen, die ein sogenanntes 60-/40-Portfolio (ein Portfolio, das zu 60 % aus Aktien und zu 40 % aus Anleihen besteht) bevorzugen. Ein solches Portfolio wird als ausgewogen bezeichnet und bildet die Grundlage einer Reihe von Strategien, die sowohl von professionellen als auch von privaten Anlegern auf der ganzen Welt eingesetzt werden.

Doch diese Strategie ist nicht ohne Risiko, was einige Anleger dazu veranlasst, die Sinnhaftigkeit des Ansatzes in Frage zu stellen und zu fragen: Ist ein ausgewogenes Portfolio wirklich die beste Variante?

Im ersten Quartal 2020 hätte ein US-Anleger mit einem einfachen 60-/40-Portfolio einen der größten Wertverluste seit den 1960er Jahren erlitten, so ein im April veröffentlichter Research-Bericht von Goldman Sachs. „Dem ging ein Jahrzehnt sehr starker risikobereinigter Renditen für ausgewogene Portfolios voraus, unterstützt durch die Kombination eines Bullenmarktes bei Aktien und Anleihen und negativen Korrelationen zwischen Aktien und Anleihen”, so der Bericht.

Und obwohl dieses ausgewogene Portfolio im Jahr 2020 ein schwieriges erstes Quartal hatte, verbesserten sich die Renditen in der Folge, da die Outperformance von Aktien (auf globaler Basis) die schlechteren Renditen von Anleihen mehr als wettmachte. Jason Kephart, Senior Analyst bei Morningstar, sagte vor kurzem: „Ironischerweise führten dieselben Faktoren, die die Zinssätze in die Höhe schnellen ließen, auch zu starken Aktienrenditen, die die Verluste im Anleihenportfolio mehr als ausglichen.“

Keine typische Konjunkturerholung

Dies mag nicht völlig überraschend sein. In Zeiten einer typischen Konjunkturerholung neigt die Zinskurve dazu, steiler zu werden, und die Aktienrenditen verbessern sich in der Regel.

Doch die Tatsache, dass sowohl die Anleihen- als auch die Aktienmärkte teuer sind, mag einige Anleger verwundern. Wenn die Bewertungen für beide Anlageklassen hoch sind, sind die voraussichtlichen zukünftigen Renditen niedrig und das Risiko eines Wertverlusts steigt potenziell. Der Crash der Finanzmärkte im letzten Jahr zeigte dies auf schmerzhafte Weise.

Diese verwirrende Situation hält nun schon einige Zeit an. Besteht also nicht die Gefahr einer höheren Korrelation zwischen Anleihen und Aktien, die eines der Argumente für ein ausgewogenes Portfolio untergraben würde?

Jahr für Jahr zwingt das von den Zentralbanken geschaffene Niedrigzinsumfeld Anleger dazu, ihr Risiko zu erhöhen, um nennenswerte Renditen zu erzielen. Einige Anleger tauschen sogar Risiko gegen Illiquidität ein und wenden sich alternativen Anlageklassen wie Private Equity, Sachwerten (z. B. Infrastruktur), renditestärkeren festverzinslichen Anlageoptionen (Hochzins- und Schwellenländeranleihen) oder ausgefalleneren, aber risikoreicheren Anlagen wie Kryptowährungen zu.

„Der Versuch, das Engagement in weniger liquiden Anlageklassen zu erhöhen, um Erträge zu erzielen und die niedrigere Rendite traditioneller Anlageklassen zu kompensieren, ist riskant“, sagt Clemence Dachicourt, Senior Portfolio Manager bei Morningstar Investment Management Europe. „Im Laufe der Zeit haben Anleihen gezeigt, dass sie immer noch eine Rolle bei der Risikodiversifizierung spielen und ein sicherer Hafen für Portfolios sein können“, fügt sie hinzu.

Vergessen Sie nicht das Diversifizieren

Der Sinn des 60-/40-Portfolios besteht eben darin, dass es ausgewogen ist. Der erfolgreiche Teil sollte in Zeiten, in denen der andere einen schlechten Lauf hat, die Verluste ausgleichen. Das hat sich für Anleger immer wieder bewährt. "Das erste Quartal 2021 hat gezeigt, dass selbst das schlechteste Quartal für US-Investment-Grade-Anleihen in den letzten 20 Jahren nicht ausgereicht hat, um das klassische 60/40-Portfolio zum Entgleisen zu bringen", sagt Kephart. 

Was sollen Anleger also daraus schließen? Solange sich die Korrelation zwischen den traditionellen Anlageklassen nicht dramatisch ändert, macht ein 60-/40-Portfolio nach wie vor Sinn.

Das bedeutet natürlich nicht, dass Anleger nicht auch alternative Anlageklassen in Betracht ziehen sollten, aber es ist wahrscheinlich besser, diese in einem kleinen Rahmen zu belassen und den Kern des Portfolios in eher klassischen Aktien und Anleihen zu halten. Vergessen Sie nicht: Diversifizierung bedeutet nicht nur, Geld auf viele verschiedene Arten von Vermögenswerten zu verteilen, sondern auch innerhalb des Aktien- und Anleihenuniversums in verschiedene Regionen, Sektoren und Marktkapitalisierungen zu investieren.

Die wichtigsten Risiken, die jeder Anleger immer im Blick haben sollte, sind dauerhafter Kapitalverlust und Kaufkraftverlust (im Moment besonders wichtig, da Anleger sich auf eine steigende Inflation einstellen). Solange das 60-/40-Portfolio seinen Zweck erfüllt, was bisher der Fall war, ist es immer noch relevant.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Jocelyn Jovène

Jocelyn Jovène  Jocelyn Jovène ist Redakteur für Morningstar in Frankreich.