Ausgaben für Verteidigung, Luft- und Raumfahrt 2022 verdreifacht

Laut Pitchbook erreichten die Investitionen in Verteidigung, Luft- und Raumfahrt 2022 ein neues Niveau

Sunniva Kolostyak 06.03.2023
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F16 fighter jet

Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine ist ein Jahr vergangen. In dieser Zeit hat sich an den Märkten weltweit viel verändert. Die Entwicklung war geprägt von Volatilität, Inflation und Unsicherheit, aber auch von einem Boom der fossilen Brennstoffe mit steigenden Öl- und Energiepreisen - und von der Begeisterung, aus der Waffenindustrie Kapital zu schlagen.

Der Boom hat eine enormen Anstieg der Venture Capital-Aktivitäten im europäischen Luft-, Raumfahrt- und Verteidigungssektor ausgelöst. Den Daten von Morningstar PitchBook zufolge erhielten die Unternehmen 2022 über USD 30 Milliarden Dollar an Kapital, mehr als das Dreifache des Vorjahres.

Morningstar PitchBook sammelt umfassende Daten über den Bereich Private Equity und Venture Capital. Die geopolitische Instabilität, die beträchtliche Erhöhung staatlicher Verteidigungsbudgets und die Erholung des kommerziellen Flugverkehrs haben zu einem neuen Interesse an der Luft- und Raumfahrt- sowie der Verteidigungsindustrie geführt. Aus diesem Grund haben wir die Transaktionen untersucht, die seit Beginn des Konflikts in diesem Sektor stattgefunden haben.

Aus den Daten von PitchBook geht hervor, dass das Jahr 2022 die Jahre 2018 und 2021 - die bisher besten Jahre mit Investitionen von jeweils rund USD 10 Milliarden - um das Dreifache übertraf. Der größte Teil der USD 33,63 Milliarden stammte aus Fusionen und Übernahmen (USD 22 Milliarden), aber auch Private Equity und Venture Capital legten im Vergleich zu den Vorjahren deutlich zu. Allein PE-Deals erreichten fast USD 10 Milliarden, VC-Deals wiederum überschritten erstmals die Marke von USD 1 Milliarde bei Transakionen, die insgesamt USD 2,38 Milliarden wert waren.

Erwähnenswert ist, dass die Zahlen nur jene Deals widergeben, zu denen PitchBook Daten hat, und jene mit unbekanntem Transaktionsumfang außen vor lässt, ebenso Unternehmen, die inzwischen ihre Geschäftstätigkeit eingestellt haben.

Große Rüstungsunternehmen profitieren

Zwar wurde viel Geld auf privaten Märkten beschafft, aber wir wissen auch, dass börsennotierte Aktien ebenfalls stark stiegen. Wie wir zuvor berichteten, verzeichneten die sechs größten in Europa börsennotierten Rüstungsunternehmen - BAE Systems (BSP) aus dem Vereinigten Königreich, Thales (HO) und Dassault Aviation (AM) aus Frankreich, Leonardo (LDO) aus Italien, Rheinmetall (RHM) aus Deutschland und Saab (SAAB B) aus Schweden - seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine einen Kurssprung zwischen 35% und 136%. BAE Systems hat gerade seine Jahresergebnisse vorgelegt und mitgeteilt, dass 2022 ein Rekordjahr für Aufträge war.

Laut PitchBook ist Rheinmetall der Top-Akquisiteur im europäischen Luft-, Raumfahrt- und Verteidigungssektor und hat seit Beginn unserer Aufzeichnungen 14 Übernahmen getätigt.

Darunter befindet sich einer der größten Deals des Jahres 2022: die im November bekannt gegebene Übernahme von EXPAL Systems für USD 1,2 Milliarden oder das 1,4-Fache des Umsatzes. EXPAL Systems ist ein Anbieter von Präzisionsmunition und anderer Waffensysteme, und die Übernahme soll das Kerngeschäft von Rheinmetall in den Bereichen Waffen, Munition und Treibladungen stärken.

Saab aus Schweden ist mit sieben Übernahmen im Wert von USD 536 Millionen ebenfalls einer der Top-Akquisiteure in der Branche, wobei die letzte Übernahme bereits 2020 stattfand.

Zusätzlich sind zwei weitere Transaktionen erwähnenswert. Außerhalb Europas ist die Vereinbarung zur Übernahme von Aerojet Rocketdyne durch L3Harris für USD 4,7 Milliarden zu nennen, was dem 21,7-Fachen des Gewinns und dem 2,0-Fachen des Umsatzes entspricht, wie aus dem Annual Global M&A Report 2022 von PitchBook hervorgeht.

Das größte Geschäft in diesem Zeitraum ist die Übernahme des an der Londoner Börse notierten Unternehmens Meggitt durch das US-amerikanische Unternehmen Parker Hannifin (PAR), die zwar im September 2022 abgeschlossen wurde, aber bereits vor Ausbruch des Krieges vereinbart worden war.

Auch in der Luftfahrt geht es bergauf

Es geht aber nicht nur um Rüstungsunternehmen. Seit Februar 2022 wurden insgesamt 40 europäische Übernahmen angekündigt, wobei der größte Deal die Luft- und Raumfahrt betraf. Die Übernahme des Flugzeugleasingunternehmens Goshawk Aviation durch SMBC Aviation Capital wurde im Mai angekündigt und nur wenige Tage vor Weihnachten abgeschlossen.

Mit 11 Übernahmen ist zudem das OEM-Unternehme Safran (SEJ1) der zweitgrößte Akquisiteur im gesamten Sektor, knapp hinter Rheinmetall mit 14. Allerdings beträgt der Gesamtwert der Übernahmen USD 9,09 Milliarden, verglichen mit USD 1,38 Milliarden bei Rheinmetall. Meinem Kollegen Jocelyn Jovene zufolge sind die Aussichten für OEM- oder Erstausrüster positiv, weil sie neben dem Verkauf neuer Triebwerke auch von den Wartungsverträgen einer bereits vorhandenen Basis profitieren werden.

Der Blick von der anderen Seite: Russland

Beachtlich sind auch die 10 Geschäfte von Russian Helicopters. Das Unternehmen produziert und verkauft zivile und militärische Hubschrauber für staatliche und kommerzielle Betreiber. Außerdem stellt es Rotorblätter und Heckrotoren für diese Hubschrauber her.

Im März 2022 wurde das Unternehmen auf die US-Sanktionsliste gesetzt, nachdem es bereits auf der EU-Sanktionsliste stand. Das US Office of Foreign Assets Control hat die Holding sowie 15 weitere verbundene Unternehmen mit Sanktionen belegt: "Russian Helicopters wurde als Unternehmen erkannt, das im Verteidigungs- und verwandten Materialsektor der Wirtschaft der Russischen Föderation tätig ist oder war."

Laut PitchBook tätigte das Unternehmen keine Investitionen mehr, seit es 2017 den Entwickler militärischer und kommerzieller Hubschrauber Kamov erwarb. Im selben Jahr gründete es ein Joint Venture mit Hindustan Aeronautics (HAL) und Rosoborobexport, um Indo-Russian Helicopters zu gründen, einen Hersteller von Militär- und Luftwaffenhubschraubern mit Sitz in Bangalore, Indien.

Vereinigtes Königreich auf Platz eins in Europa

In Europa fanden die meisten Geschäftsabschlüsse in diesem Sektor im Vereinigten Königreich statt. PitchBook verzeichnet allein im Vereinigten Königreich 733 Deals im Wert von USD 45 Milliarden, wobei die Daten bis in die 1930er Jahre zurückreichen. Auf Platz zwei folgt Frankreich mit 514 Transaktionen in einem Gesamtwert von USD 24 Milliarden.

Deutschland und Russland liegen an dritter und vierter Stelle: mit 292 Abschlüssen im Wert von USD 9,9 Milliarden bzw. 254 Abschlüssen im Wert von USD 6,5 Milliarden. Aber sowohl die Niederlande als auch Irland übertreffen sie beim Gesamtumfang der Geschäfte: USD 14 Milliarden bei 119 Geschäften bzw. USD 13 Milliarden Dollar bei 55 Transaktionen.

Die Ukraine ist das Land mit dem zehntniedrigsten Gesamtvolumen, das sich auf USD 13 Millionen bei 22 Deals beläuft.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Sunniva Kolostyak  is a data journalist at Morningstar